Dechant Richard Bertram
Priester, Vordenker, Ehrenbürger der Stadt Brühl
Am 29. August 1919, dem Tage seines Diamantenen Priesterjubiläums, wurde Dechant Richard Bertram die Ehrenbürgerwürde der Stadt Brühl verliehen. So ist er nur logisch, dass dieser 29. August nun 1994 nicht nur die 75. Wiederkehr der Ehrenbürger-Verleihung, sondern auch den 135. Tag der Priesterweihe des um Brühl so verdienten Geistlichen darstellt. Dieses ´doppelte Jubiläum´ soll uns Anlas sein, Leben und Werk des eifrigen und stets bescheidenen Gottesmann, der so oft Aufnahme in der Monats-Chronik gefunden hat, näher zu betrachten: Richard Bertram wurde am 14. Juli des Jahres 1834 in Stolberg bei Aachen geboren. Nachdem er in Düren das Abitur erworben hatte, studierte er an den Universitäten in Bonn bzw. Tübingen Theologie, bevor er an eben jenem 29 August 1859 im Hohen Dom zu Köln (der übrigens damals noch nicht fertiggestellt war) von Erzbischof Kardinal Johannes von Geißel zum Priester geweiht wurde. Anschließend wurde Bertram für 5 Jahre als Kaplan nach Aachen entsandt, bevor er 7 Jahre lang als Vikar in Bracheln tätig war. 1873 dann wurde er las Pfarrer nach Hehn bei Mönchengladbach ernannt. Dort begann für ihn eine äußerst schwierige Zeit, die er jedoch stets standhaft, aufrichtig und glaubenstreu meisterte: Kurz vor seiner Ernennung zur Pfarrer waren die verhängnisvollen Maigesetze beschlossen worden, die den Auftakt zur Zeit des Kurlturkampfes bildeten. Da ihm ob dieser Wirren die staatliche Anerkennung als Pfarrer verwehrt wurde, war Bertram 15 Jahre lang als bischöflich ordinierter Pfarrer in Hehn tätig, ohne hierfür Gehalt zu beziehen und ohne die staatliche Erlaubnis, als Seelsorger tätig zu werden.
Im Klartext bedeutete dies: obgleich mit Pfarrerswürden bedacht durfte er offiziell keine Trauungen durchführen, keine Taufen spenden, und auch die Gabe der Erstkommunion durfte er seinen Gemeindekindern nicht reichen. Der kölnische Erzbischof Paulus Melcher wurde wegen der Ernennung Bertrams zum Pfarrer zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt und auch Bertram kam nicht ungeschoren davon: Wegen der – für ihn selbstverständlichen – Vornahme kirchlicher Amtshandlungen wurde der junge Priester zu einer Geldstrafe von 270 Mark bei ersatzweise 22 Tagen Haft verurteilt. Sogar vor Möbelpfändungen und einer öffentlichen Versteigerung schreckten die damaligen Machthaber nicht zurück.
Trotz all dieser Widrigkeiten bei seiner ersten Pfarrstelle hat Richard Bertram seine seelsorgerischen Pflichten jedoch stets aufopferungsvoll und standhaft erfüllt und die Zeiten, zu denen er zur Passivität gezwungen war nutzte er zu gesellschaftspolitischen und sozialen Studien. Diese Studien fanden ihren logischen Abschluss in der Veröffentlichung einer Vielzahl lebenskundlicher Schriften, deren Qualität so gut war, dass sie in Regierungsamtsblättern besprochen und empfohlen wurden. Im Jahre 1888 wurde Bertram dann als Pfarrer nach Brühl versetzt und nahm hier – getragen von der Erfahrung seiner Zeiten in Hehn – sein segensreiches Schaffen in Angriff:
Das die Kapazitäten der Krankenbetreuung und -versorgung in Brühl bei weitem nicht ausreichten, bemerkte der aktive Pfarrer schon bald und nur wenige Monate nach seiner Einführung an St. Margareta fanden die Mitglieder des Kirchenvorstandes auf der Einladung den Tagesordnungspunkt ´Bau eines neuen Klösterchens´ (Krankenhauses). Wieder und wieder brachte Bertram dieses Thema ein. Am 2.12. 1890 kaufte er die ersten Gärten an der Mühlengasse und bereits Ende Dezember hatte er ein Areal von 56 Ar zusammengetragen. Nachdem er am 4. Mai 1893 mit den Bauarbeiten begonnen hatte, konnte Bertram am 18. September 1894, also vor fast 100 Jahren, das Marienhospital feierlich einweihen und hatte somit sein erstes für Brühls weitere Entwicklung so wichtige Werk vollendet.
Aber auch für die zielgerichtete Bildungsarbeit außerhalb des Gotteshauses schuf er mit dem Bau des Josefshauses an der Mühlenstraße die nötigen Voraussetzungen. In den Jahren 1907/08 ließ er das für damalige Verhältnisse überaus großzügige Vereinshaus errichten und gab der kulturellen Arbeit der Gemeinde so einen neuen Mittelpunkt.
Die Bildung generell hatte es ihm ohnehin angetan und er förderte ihre Verbreitung nach allen Kräften: Hatten doch 1893 den Schwestern des Ursulinenordens aus Roermond auf seine bitte hin ein Pensionat und eine höhere Mädchenschule in Brühl errichtet, die 1910 die staatliche Anerkennung erhielt. Auch wurde er 1890 als Oberpfarrer in das Kuratorium des neuen Brühler Progymnasiums berufen und war in der Folgezeit nicht unerheblich an dessen Entwicklung beteiligt, sodass schon 1902 die Erweiterung des Progymnasiums zur Vollanstalt vollzogen werden konnte. Natürlich fanden auch die kirchlichen Jugendverbände bei ihm stets ein offenes Ohr und in ihm einen wohlwollenden Förderer.
Nicht zuletzt die Pflege der Heimat und ihrer Geschichte machten Bertram, der sich in Brühl immer sehr wohl, ja sogar heimisch gefühlt hatte, zu einem so beliebten Geistlichen. Als Autor vieler heimatkundlicher Werke wurde er geschätzt und nicht zuletzt sein bedeutendstes Werk, die ´Chronik der Pfarrgemeinde St. Margareta´ ist noch heute Quelle vieler Geschichtsforscher und Heimatkundler.
Bei all diesen geschilderten Aktivitäten war es nicht verwunderlich, dass Dechant Bertram es war, der nach dem Zusammenbruch von 1918 gemeinsam mit anderen idealistischen Bürgern die ´Brühler Heimatschau´ initiierte und somit das Überleben der heimischen Kultur sicherte.
All diese Aktivitäten fanden ihren Niederschlag denn zwangsläufig auch in einer Anzahl an Ehrungen und Auszeichnungen: 1896 wurde Bertram zum Dechant erkoren und 1913 ernannte Papst Pius X. seinen treuen Hirten zum päpstlichen Geheimkämmerer, eine Auszeichnung, die nur sehr selten einem Pfarrer zuteil wird. Ganz besonders freute er sich jedoch über die Verleihung des Ehrenbürgerbriefes durch die Stadt Brühl am Tage seines Diamantenen Priesterjubiläums, dem schon angesprochenen 29. August 1919. Diese Freude war um so größer, als die Ernennung aus einem freien Entschluss des Brühler Rates hervorgegangen war und keines Protektorates bedurfte.
Als Richard Bertram am 24. November 1920 im Alter von 87 Jahren starb, trauerte die ganze Stadt um einen großen Bürger und aufrechten Gottesmann, dessen Andenken inzwischen durch die Benennung der Richard-Bertram-Straße eine würdige Form erhalten hat! Und auch in „seinem“ Marienhospilal wird mit einem goßen Öglemälde an den Gründer und Vordenker erinnert.