Oberpfarrer – eine echte Brühler Spezialität

Oberpfarrer – eine echte Brühler Spezialität

Oberpfarrer Philipp Lehnen
Oberpfarrer Philipp Lehnen vor dem Hochaltar der Brühler Schlosskirche – Foto: Bernhard Münch

Auch wenn der größte Teil der Brühler ´Stadt-Geschichte´ von Kurfürsten, deutschen Königen bzw. sogar Kaisern bestimmt wurde, so läßt doch jene – wenn auch vergleichsweise kurze – Zeit der französischen Besetzung des Rheinlandes und damit auch unserer Heimatstadt – nicht leugnen oder gar verschweigen.

Zu viele Zeugen in unserer Umgebung erinnern daran, daß Brühl sogar einmal Kantonshauptstadt in dieser französisch besetzten Region war. Und viele dieser Zeugen geben auch heute noch ein lebendiges Bild dieser Epoche wieder, geben sie quasi nun als ´Eigenheiten´ oder ´Spezialitäten´ Brühls wieder.

Blicken wir also zunächst einmal eine gute Zeitspanne zurück, nämlich in die Jahre vor der ´Franzosenzeit´.

Die Brühler Hauptpfarrkirche St. Margareta
Die Brühler Hauptpfarrkirche St. Margareta – Repro: Bernhard Münch / Archiv Jakob Sonntag

Der letzte kurkölnische Landesherr, der Sohn des Kaisers, Erzbischof Maximilian-Franz, seines Zeichens auch Erzherzog von Österreich war seit 1784 in Amt und Würden. Im Jahre 1793 ernannte dieser dann den ehemaligen Universitätsprediger und Studentenseelsorger Peter Heinrich Gareis aus Bonn (damals war er gerade 34 Jahre alt) zum Pfarrer an St. Margareta und das ´Heilige Römische Reich Deutscher Nation´ befand sich eindeutig auf dem ´absteigenden Ast´, wie man heute so schön formulieren würde. So dürfte es aufgrund der Zeichen der Zeit weder für den Landesfürsten, noch für seinen treuen Pfarrer sehr verwunderlich gewesen sein, den Verfall dieses Reiches erleben zu müssen.

Überraschend wird vielleicht jedoch der frühe Zeitpunkt dieses endgültigen Zerfalls (bzw. der Vernichtung) gewesen sein: schon 1794, also vor genau 200 Jahren, marschierten die französischen Revolutionsheere in das Rheinland ein und besetzten es.

Die ´römisch-deutsche´ Kleinstaaterei der unzähligen Kleinfürstentümer war hiermit endgültig beendet.

Am 3. Oktober 1794 nahm Maximilian Franz denn auch Abschied von seinem (oder wohl nicht mehr seinem) Kurstaat und begab sich zunächst nach Münster (Westfalen) um von dort nach Wien weiterzuziehen. Dort lebte er dann bis zu seinem Tode im Jahre 1801 quasi im ´heimatlichen Exil´.

historischer Blick in die Pfarrkirche St. Margareta
Historischer Blick in die Pfarrkiche St. Margareta – Repro: Bernhard Münch / Archiv Jakob Sonntag

Weder sein Brühler Pfarrer, noch seine hiesige Bevölkerung jedoch konnten dem sicherlich sehr erstrebenswerten Beispiel ihres Landesherrn folgen: Sie alle mußten sich hier vor Ort mit den neuen Gegebenheiten arrangieren.

Als Residenz des Kurstaates hatte Brühl damit nun ausgespielt. Eingegliedert in das neugegründete französische Roer-Departement mit Hauptstadt Aachen blieb es jedoch immerhin als Kantonhauptstadt seiner Rolle als führendes Städtchen treu: 25 Gemeinden wurden von hier aus verwaltet: Brühl, Vochem, Berzdorf, Schwadorf, Pingsdorf, Hürth, Fischenisch, Kendenich, Hermühlheim, Gleuel, Immendorf, Rodenkirchen, Sürth, Meschenich, Hersel, Urfeld, Wesseling, Keldenich, Waldorf, Brenig, Hemmerich, Sechtem, Merten, Roesberg und Walberberg. Die Einwohnerzahl dieses Kantons betrug damals ungefähr 18.000 Menschen.

Nicht nur die weltlichen Kreise wurden von den neuen Herrschern neugeordnet, nein: auch die kirchlichen Dinge wurden in ein neues Gefüge gepreßt: das Erzbistum Köln wurde 1801 kurzerhand aufgelöst und mit päpstlichem Konkordat vom 15. August 1801 wurde es dem zum 19. November des Jahres gegründeten Bistum Aachen einverleibt. Gleichzeitig mit dieser räumlichen Umgliederung wurden nun auch die im französischen ´Mutterland´ gebräuchlichen Titel eingeführt bzw. übernommen. Pfarrer Gareis wurde mit einem Mal zum ´Kantonalpfarrer´, da er ja Pfarrer an der Hauptkirche in der Kantonshauptstadt war.Da er gleichzeitig dann aber auch noch zeitweise zum ´Maire´ also zum Bürgermeister und Repräsentant der französischen Herrscher in Brühl bestimmt wurde, war er nun also gleichzeitig Bürgermeister, Ortspfarrer und Kantonalpfarrer. Als ´Maire´ war er gleichzeitig auch der kommunale Standesbeamte, der die von den Franzosen verordneten standesamtlichen Trauungen durchzuführen hatte. So konnte und mußte man damals also als Katholik gleich zweimal vor derselben Person das ´Ja-Wort´ abgeben. (Ob ´doppelt´ auch besser ´hielt´ ist leider nicht statistisch nachzuweisen!).

Da der Titel Kantonalpfarrer jedoch recht schwierig und ´unschön´ war, wurde er alsbald durch die Bezeichnung Oberpfarrer ersetzt, die ja bei uns in Brühl bis zum heutigen Tag Bestand hat und seitdem an die Pfarrstelle an der Margaretenkirche gebunden ist.

Aufgebahrt vor dem Hochaltar – Foto: Bernhard Münch

Oberpfarrer Lehnen war bis zu seinem Tode am 5. Oktober 2002 der letzte Träger dieses Titels in Brühl. Im Sinne der doch nun schon zweihundert Jahre andauernden Tradition, die Brühl und St. Margareta aus den meisten anderen Pfarrgemeinden heraushebt ist es mehr als schade, dass sein(e) Nachfolger im Amte des Pfarrers an St. Margareta dieses Privilleg nicht weiter fortführen. Diese schöne und seltene Tradition hat Oberpfarrer Philipp Lehnen damit leider – wenn auch sicher unfreiwillig – mit ins Garb genommen.