Im persönlichen Gespräch: Rüdiger Tillmann, Eventgastronom
„Die Wiedereröffnung war sehr bewegend”
Vor drei Jahren eröffnete Rüdiger Tillmann in der Kurfürstenstraße 58-60 die „Kornkammer”. Dort verwirklichte der 48-Jährige seinen Traum, eine besondere Location zu schaffen, in der den Gästen die vielfältigsten Möglichkeiten geboten werden. „Konzerte, Tagungen, Lesungen, Kleinkunst, Hochzeiten, private Feiern – wir veranstalten Kultur in Brühl!” – mit Liebe, Charme & Niveau” lautet das Motto der Kornkammer. Dieses Konzept ging immer besser auf. Nach drei Jahren harter Arbeit war Rüdiger Tillmann bereit, nochmals zu investieren und durchzustarten. Dann kam Corona.
„Die Kornkammer im März schließen zu müssen, war hart”, sagt der Gastronom. „Auch meine anderen Standbeine sind so sehr in der Veranstaltungsbranche verstrickt, da ging auch nichts. Und wenn wir uns umgeschaut haben, lief rund um uns herum in den benachbarten Betrieben das Leben ganz normal weiter. Die Handwerker und viele andere auch durften arbeiten. Wir nicht.” Von einem Tag auf den anderen brachen die Einnahmen vollständig weg, Veranstaltungen mussten abgesagt werden, alle geplante Familienfeiern bis August fielen aus. Das volle Corona-Programm eben. Bis heute.
Inzwischen hat die Kornkammer wieder geöffnet. Doch die Umsatzzahlen von vor der Schließung sind nicht erreichbar, nicht nennenswert. Das Veranstaltungsgeschäft wird ganz behutsam wieder hochgefahren. Rüdiger Tillmann und seine Frau Magdalena sind dabei kreativ und setzten kurzfristig Kunstausstellungen um, so lange eh alles abgesagt war, die Besucherzahlen für Konzerte eingeschränkt sind und auch nicht im Handumdrehen mal eben realisiert sind. Im Juli wurden etwa nacheinander in Ausstellungen Bilder der Künstler Fredrik Eriksen und Igor Navrotzkyi gezeigt. „Es war bewegend, wir hatten kurz Livemusik und Tränen in den Augen der Gäste”, sagt Rüdiger Tillmann. „Wir wollen uns weiter zeigen und unseren Gästen die gewohnte Qualität bieten.” Am 5./6. September unterstützt die Kornkammer auch wieder an den Tagen der „Offenen Ateliers”. Fünf Künstler –Karin Friedrich, Sigrid Dettloff, Petra Zilliken, Armin Kayser und Margaretha Ramezanion – stellen ihre Werke aus. Am Samstagabend wird es auch parallel dazu die legendäre Maltikor Jamsession geben, irgendwie – Corona like zwischen der Kunst! Es muss ja weitergehen.
Im August begrüßen die Tillmanns die erste Hochzeitsgesellschaft seit März in der Kornkammer, die zu den eingetragenen Hochzeitslocations der Stadt Brühl zählt. Genauso individuell liefen bislang die vielen Kulturveranstaltungen ab. Fast jede Woche stieg bis zur Zwangspause ein Konzert, eine Lesung oder Kleinkunst in der Kornkammer. Bis zu 130 Gästen konnten die Darbietungen in einer intimen Atmosphäre genießen.
Die Künstler und Gäste fühlten sich wohl in dem besonderen Ambiente eines früheren Getreidesilos. Silvester 2015 hatte Rüdiger Tillmann das Gebäude entdeckt und ein halbes Jahr später den Mietvertrag abgeschlossen. Danach wurde umgebaut. Im Herbst 2017 fand das Eröffnungskonzert mit dem Künstler Götz Widmann statt.
Ganz ohne öffentliche Förderung oder Unterstützung avancierte die Kornkammer bei Künstlern und Besuchern zu einem Geheimtipp in der Region. „Die öffentliche Hand pusht die Kultur in den eigenen Häusern und schießt in der Summe Millionen zu. Die frei wirtschaftenden Betriebe stehen alleine da”, sagt Rüdiger Tillmann. Den Künstlern bietet die Kornkammer eine Bühne, die übrigens auch technisch bestens ausgestattet ist. Die Standbeine Studiolicht und Eventrucking laufen langsam an, um die laufenden Kosten und die volle Miete weiter bezahlen zu können. Rüdiger Tillmann nutzt alte Kontakte und fährt Kühllaster.
Der Gastronom hat in seinem Leben bereits oft bewiesen, dass er flexibel und innovativ ist. Der gebürtige Elmshorner arbeitete als Spediteur, Verkehrsplaner, Mediendesigner. 1996 schon stieg er ins Veranstaltungsgeschäft ein, es begleitete ihn immer. Er war auch fünf Jahre als Roadie als Bandtechniker mit den Räubern unterwegs. Er arbeitet als Lichttechniker, dreht und produziert Videos und Livestreams. 2016 heiratete er seine Frau Magdalena, die aus der Hotellerie kommt und über eine 25-jährige Erfahrung im Bereich Fullservice und Bankett verfügt.
Zusammen haben sie viele Engagement und Herzblut die Kornkammer mit ihrem Mix aus industriellem Charme, Vintage in Kombination mit Eleganz und Rock n Roll zu dem gemacht, was sie heute ist. Fragt man den Eventgastronomen nach den bisherigen Highlights in drei Jahren Kornkammer, wird er nachdenklich. „Das sind eher die Momente, wenn ich an der Tür stehe und die Leute sich nach dem Ende einer Veranstatung einfach nur für den schönen Abend bedanken. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn die Menschen bei einem Konzert mitgehen oder still zuhören, mit geschlossenen Augen genießen, abfeiern und Dich glücklich anstrahlen. In solchen Momenten ist es immer eine große Freude, diesen Job zu machen.”
Solche Momente soll es auch bald wieder geben. Für den September hat die Kornkammer bereits ihren Veranstaltungskalender einfach wieder geöffnet. „Entsprechend den täglich aktuellen Covid-Regeln wird ‘irgend etwas’ stattfinden”, verspricht Rüdiger Tillmann. So wird es am 6.9. ab 19:30 Uhr die „Maltikor Music Jam Session” geben, der am 9.9. eine weitere Jazz Jam Session folgt. Am 14.9. steigt die „Irish & Scottish Music Session” präsentiert von Sabrina Palm und Steve Crawford. Für den 16.9. ist wieder „Theos Textfabrik – Poetry Slam” geplant. Die Angebote für Kulturveranstaltungen sind also wieder da. Unterstützen Sie deshalb gerade jetzt die Gastronomen und Künstler in dieser schweren Zeit mit einem Besuch in der Kornkammer.
Tobias Gonscherowski